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Gegen Abend machte unser Zug an einem kleinen Vorstadtbahnhof halt. Der Bahnsteig gab den Blick frei auf die umliegenden Häuser. Dabei sah ich etwas Ungewöhnliches. Auf einer leicht höher gelegenen Terrasse tanzte ein älteres Paar. Kein Fest oder Ähnliches war der Anlass ihres Tanzes. Sie tanzten ganz für sich, so als ob sie das, was um sie herum geschah, vergessen hatten. Und ich sah ihnen zu, wie sie sich nach dem Rhythmus einer Melodie bewegten, die ich nicht hören konnte. Er hatte den Arm zärtlich auf ihre Schulter gelegt und wirkte in seinen Bewegungen, wohl wegen des Alters, schon ein wenig steif während sie sich grazil wie ein junges Mädchen zum Takt der Musik bewegte. Auch wenn ich ihre Gesichter aus der Ferne nicht erkennen konnte, stellte ich mir vor, dass sie sich anlächelten.

Langsam rollte unser Zug wieder an und das tanzende Paar verschwand nach und nach aus meinem Blickfeld. Im Gedanken spürte ich noch den Frieden, der über diesem kurzen Augenblick lag. Mitten in der Betriebsamkeit um den kleinen Bahnhof, mitten zwischen den Geräuschen der an und abfahrenden Züge hatten die Tanzenden ihren eigenen Rhythmus gefunden. Die Welt drehte sich hektisch um sie. Aber sie ließen sich davon nicht mitreißen, sondern drehten sich zu ihrem eigenen Takt aus Harmonie und Zärtlichkeit. Welch ein Geschenk Gottes ist so ein Moment.

Welch ein Geschenk Gottes ist es, wenn wir uns nicht mitreißen lassen müssen von all dem, was an Trends und Meinungen unsere Welt bewegt, weil Gott uns einen festen Halt verleiht. Sein Frieden und seine Wahrheit sind dann unser Rhythmus, egal welchen Takt die Welt uns auch vorgeben möchte.

H. Wensch, November 2019

 

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