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Ich habe es, glaube ich, schon einmal erzählt. Ich habe seit einiger Zeit den guten alten Plattenspieler für mich wieder entdeckt. Wenn man so will, dann ist das Musikhören mit dem Plattenspieler wie ein kleines Ritual. Man nimmt vorsichtig die Platte aus der Hülle, legt sie auf den Plattenteller, lässt den Tonarm langsam auf die Schallplatte und los geht es, aber nicht lange. Nach etwa 20 Minuten hat die Nadel das Ende der Platte erreicht und man muss wieder aufstehen, um die Platte umzudrehen. Das führt zu einem viel bewussteren Hören der Musik. Vielleicht wirft man beim Zuhören noch einen Blick auf das Plattencover. In vielen Fällen zeigt das nicht nur einfach ein Bild des Musikers, sondern es ist wie ein kleines Kunstwerk gestaltet. Keine Angst, ich bin nicht zum Nostalgiker geworden, der längst vergangene Zeiten wiederbeleben will. Ich merke beim Plattenhören nur, dass ich etwas bewusst tue, was sonst oft nebenbei geschieht.

In Psalm 31, 6 heißt es, dass unsere Zeit in Gottes Händen steht. Das heißt, jeder Tag, jede Stunde und jede Minute, die wir erleben, ist eine einmalige Gabe Gottes an uns. Die Betonung liegt auf „einmalig“. Ein Tag, der vergangen ist, kehrt nicht mehr wieder. Aber wenn ich ihn bewusst erlebe, dann ist er mehr als nur ein Wechsel von Tag und Nacht und von Arbeit und Freizeit, denn ich kann in ihm immer auch Spuren entdecken, die Gott in meinem Leben hinterlässt.

Diese Spuren sind wie eine göttliche Melodie, die meinen Tagen Klang und Fülle gibt. An manchen Tagen ist sie nicht zu überhören, da spürt man das Wirken Gottes. Oft aber ist seine Nähe, seine Melodie auch unauffällig wie die Hintergrundmusik, die in einem Kaufhaus gespielt wird und die man im dortigen Gewühl fast immer überhört .Und so erinnert mich das Hören einer Schallplatte auch immer daran, dass ich nicht nur auf deren Melodie genau hören sollte, sondern auch auf die Melodie Gottes, die an jedem neuen Tag mein Leben durchzieht.

H. Wensch, Mai 2020

 

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